Weiden (Salix L.)

Die Weiden aus der Familie der Weidengewächse umfassen insgesamt 450 bekannte Arten. Berühmt wurde die Pflanzendroge Weidenrinde (Salix cortex) als Heilmittel. Neben der Nutzung für Weidenkörbe und als Holzrohstoff, kann der Teeaufguß der Weidenrinde als fiebersenkendes und schmerzlinderndes Medikament eingesetzt werden. Jedoch sind dafür nur wenige Weidenarten geeignet, die einen hohen Anteil an Salicin und dessen Derivate enthält (1.5% – 11%).

Der Inhaltsstoff Salicin ist dabei Vorbild geworden, für die Erforschung von Naturstoffen, ihre Isolierung und weitere Derivatisierung zu einem Medikament.

Das Grundgerüst des Salicinaglycons wurde weiter derivatisiert und wird heute unter dem Namen ASS (Acetylsalicylsäure) in Kopfschmerzpräperaten wie Aspirin verkauft.

salixcaprea.jpgSalix caprea L. (aus Bilder ur Nordens Flora) Phenolglycoside der Weiden

Die Weiden erstrecken sich über weite Bereiche der nördlichen Erde, sind aber auch in gemäßigten Zonen des Südens beheimatet. Innerhalb der Gattung gibt es große Unterschiede in ihrer Größe (3cm bis 30m), in ihrem Wachstumsverhalten und ihrer Blattform.

Aufgrund der Vielzahl der Salix Arten, kann kein einheitliches Inhaltsstoffprofil angegeben werden. Charakteristisch für viele Salix Arten sind die Salicine, welche jedoch in ihrer Konzentration stark varrieren. Daneben finden sich Flavonoide und weitere sekundäre Naturstoffe.

Zum Hauptartikel: Salicin

Zu den Phenolglycosiden zählen die glycosidierten Derivate des Salicins. Diese gelten als Hauptwirkstoff der Pflanzendroge und müssen daher laut Europäischen Arzneibuch auch mit über 1.5 % im Extrakt vertreten sein.1) Die Salicine sind charakterisiert durch ein gemeinsames Salicylalkoholgerüst, welches sowohl glycosidiert ist, als auch durch Veresterungen weiter derivatisiert sein kann.

Daneben finden sich noch weitere Phenolglycoside wie zum Beispiel Syringin.

In einer Studie von Nahrstedt et al. wurde nach einer alkoholischen Extraktion von Salix purpurea L. diverse Flavonoide charakerisiert. Die Arbeitsgruppe isolierte Catechine, die untereinander Querverknüpfungen zeigen. Diese heißen Procyanidine und sind Dimere und Trimere von Catechin und Epicatechin. So wurde zum Beispiel Epicatechin-(4β→8)-Epicatechin-(4β→8)-Catechin isoliert und identifiziert.2)

Neben den Catechinen finden sich weitere Flavonoide wie zum Beispiel Naringeninglycoside.

Die Weidenrinde ist die Pflanzendroge der Weide. Dabei können vorallem Weiden der Art Salix purpurea L., daphnoides Villars, fragilis L. und pentadra L. als Ausgangsmaterial verwendet werden.3)

(+)-Catechin

Schon im antiken Griechenland wurde die Weidenrinde als Schmerzmittel und gegen Fieber eingesetzt. Ende des 19ten Jahrunderts erkannte man die Wirkung der Salicylsäure, des Hauptmetaboliten des Salicins im Körper, und synthetisierte diesen im Großmaßstab. Doch erst die Variierung der Leitstruktur brachte den Durchbruch auf dem Arzneimittelmarkt. Durch die Acetylierung der Salicylsäure konnte Anfang des 20ten Jahrhunderts die Wirkung verbessert und die Nebenwirkungen vermindert werden. Das Medikament kam als Aspirin auf den Markt und ist heute – trotz der bekannten Nebenwirkungen – beliebtes Schmerzmittel.

In der traditionellen Phytotherapie wird das Wasser der abgekochten Weidenrinde verwendet. Dazu wird 10 - 20 g der Weide in einem halben Liter Wasser gekocht.4)

Heute sind im Handel Weidenrindentabletten, Teemischungen und Cremes mit Weidenrinde erhältlich.

Metabolismus der Salicinderivate zu Salicylsäure im menschlichen Körper

Das selbst unwirksame Salicin und seine Derivate metabolisiert im Körper über das Aglycon Salicylalkohol zur Salicylsäure. Salicylsäure wirkt im Menschen fiebersenkend, schmerzlindernd und antirheumatisch. Jedoch ist es fraglich, ob die Konzentration der Salicinderivate ausreicht, um eine Wirkung zu erzielen, da Salicylsäure keine therapeutisch ausreichende Blutspiegelkonzentration erreicht.5)

Die Arbeitsgruppe um Schmid et al. untersuchte die Aufnahme und den Metabolismus des Salicins der Weidenrinde. Dazu wurden Patient*innen ein Extrakt von Salix purpurea x daphnoides mit insgesamt 240 mg Salicin verabreicht. Die Blutproben zeigten, dass Salicylsäure neben Genistinsäure tatsächlich der Hauptmetabolit der Salicine ist. Salicin selbst ist im Blut nicht zu finden, wird jedoch zum Teil über den Urin ausgeschieden. In der Studie wird von einer Bioverfügbarkeit von 16 - 43 % ausgegangen. Das bedeutet, dass lediglich 16 - 43 % des eingesetzten Salicins vom Körper metabolisiert und genutzt wird.

Vergleicht man die Wirkung von Weidenrindeextrakt mit der von Acetylsalicylsäure, entspricht die Einnahme von 240 mg Salicin innerhalb eines Extraktes 87 mg Acetylsalicylsäure.6) Tabletten mit Acetylsalicylsäure enthalten jedoch meist ca 500 mg der Substanz.

Die Wirkung der Droge kann man daher nicht nur auf ihren Salicingehalt zurückführen. Neben den Salicinderivaten spielen die in der Weidenrinde enthaltenen Flavonoide eine unterstützende Wirkung. Die Arbeitsgruppe um Chrubasik et al. verglich die Wirkung der Weidenrinde mit der von Aspirin. Sie zeigen auf, dass viele Wirkungen zwar ähnlich bzw. gleich sind, es aber dennoch Unterschiede gibt. Es bleibt bis heute eine offene Frage wie die genaue Wirkung der Weidenrinde ist, die nicht alleine auf das Salicin und seine Derivate zurückzuführen ist.7)


1)
R. Hänsel; O. Sticher; Pharmakognosie- Phytopharmazie; Springer-Lehrbuch. Springer, 2009.
2) , 5)
Jürgenliemk, Guido; Petereit, Frank; Nahrstedt, A. Flavan-3-ols and procyanidins from the bark of Salix purpurea L. Die Pharmazie-An International Journal of Pharmaceutical Sciences, 2007, 62, 3, 231-234. http://www.ingentaconnect.com/content/govi/pharmaz/2007/00000062/00000003/art00013
3)
Theo Dingermann, Karl Hiller, Georg Schneider, Ilse Zündorf; Arzneidrogen; Spektrum Akademischer Verlag, 5. Auflage; 2004.
4)
August Paul Dinand; Handbuch der Heilpflanzenkunde; I.F. Schreiber, 1921.
6)
Schmid, B.; Kötter, I.; Heide, L. Pharmacokinetics of salicin after oral administration of a standardised willow bark extract. European journal of clinical pharmacology, 2001, 57, 5, 387-391. http://link.springer.com/article/10.1007/s002280100325
7)
Vlachojannis, J.; Magora, F.; Chrubasik, S. Willow species and aspirin: different mechanism of actions. Phytotherapy Research, 2011, 25, 7, 1102-1104. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ptr.3386/full