Mandarinenöl
Die Schale der als Mandarine bekannten Frucht von Citrus madurensis Lour. (C. nobilis Lour., C. rectiulata Blanco) enthält ein sehr angenehm riechendes Öl, das ebenso wie die Öle der andern Agrumenfrüchte durch Auspressen gewonnen wird. 1000 Früchte liefern dabei etwa 400 g Öl.1)
Eigenschaften
Mandarinenöl ist eine goldgelbe Flüssigkeit von schwach bläulicher Fluoreszenz, die stärker hervortritt, wenn das Öl mit Alkohol verdünnt wird. Der Geruch ist angenehm erfrischend.
Zusammensetzung
Historische Untersuchungen
Die Hauptmenge des Mandarinenöls besteht aus d-Limonen. Die von 175 bis 177°C siedende Fraktion ( αD+76°45') gab beim Bromieren in Eisessiglösung ein bei 104 bis 105°C schmelzendes Tetrabromid.2) Beim Einleiten von Salzsäure in dieselbe Fraktion entstand Dipentendichlorhydrat vom Smp. 49°C.3)
Wird das bei der Destillation bis 177°C nicht Übergegangene mit Bisulfitlösung behandelt, so erhält man ein Doppelsalz, aus dem durch Alkali ein Öl abgeschieden wird, das bei der Kondensation mit Brenztraubensäure und β-Naphthylamin eine Naphthocinchoninsäure von nicht konstantem Schmelzpunkt liefert. Der Körper beginnt bei 197°C zusammenzusintern, um erst vollständig bei 222°C zu schmelzen. Welche Aldehyde dieser Verbindung entsprechen, ist unbekannt.
Ein wichtiger Bestandteil des Öls, der sowohl den charakteristischen Geruch bedingt, als auch die Fluoreszenz hervorruft, ist der N-Methylanthranilsäuremethylester, ein Körper, der im Jahre 1900 von H. Walbaum4) aufgefunden worden ist.
Aus 5 kg Mandarinenöl wurden durch Ausschütteln mit Schwefelsäure 36 g einer Base erhalten, von der die Hauptmenge von 130 bis 131°C (13 mm) destillierte. Ihr spezifisches Gewicht betrug 1.120 bei 15°C; in der Kälte erstarrte sie und schmolz bei 18.5 bis 19.5°C. Die Verbindung bildet Salze und Doppelsalze und besitzt einen ähnlichen Geruch wie der Anthranilsäuremethylester. Beim Erhitzen mit Jodwasserstoffsäure zerfällt sie unter Bildung von Jodmethyl. Durch alkoholisches Kali wird der Ester verseift, und aus der Salzlösung lässt sich mit Essigsäure die Methylanthranilsäure ausfällen.
Diese Säure schmilzt bei 179°C und zerfällt beim Erhitzen mit verdünnter Salzsäure auf 160 bis 170° in Kohlensäure und Methylanilin; sie bildet die gleichen Derivate wie die von G. Fortmann5) synthetisch dargestellte Methylanthranilsäure, z.B. Nitrosomethylanthranilsäure (Smp. 128°C), Acetylmethylanthranilsäure (Smp. 186°C) und Benzoylmethylanthranilsäure (Smp. 161°C).
Synthetisch kann der Methylester der Methylanthranilsäure dargestellt werden durch Kochen einer methylalkoholischen Lösung der Methylanthranilsäure mit Schwefelsäure und nachfolgende Zerlegung des Estersalzes mit Sodalösung.
Obgleich von dieser Verbindung im Mandarinenöl kaum 1% vorkommt, so ist sie doch für den Geruch des Öls von großer Bedeutung.
Quantitativ6) lässt sich dieser Ester auf dieselbe Weise bestimmen wie der Anthranilsäuremethylester.
Aktuelle Untersuchungen
Das von Chutia et al. untersuchte Öl wurde durch Hydrodestillation der Orangenschalen (C. reticulata Blanco) gewonnen (siehe Eintrag 1 in folgender Tabelle) .7) Bei der von M.-L. Lota et al. veröffentlichten Studie wurden kaltgepresste Öle von 41 verschiedenen Kultivaren gemessen. Zudem wurde ätherisches Öl durch Hydrodestillation der frischen Blätter gewonnen.8) Für das kaltgepresste ätherische Öl der Schalen wurden zwei Cluster ausgemacht mit ähnlichen Inhaltsstoffprofilen (siehe Eintrag 2 und 3). Während bei 2 sehr hohe Limonenwerte bis zu 96.2% zu messen sind, ist der Anteil an γ-Terpinen bei maximal 6.0% sehr niedrig. Bei 3 dagegen handelt es sich dagege offensichtlich um γ-Terpinen reiche Öle. Untersuchungen des ätherischen Öls der Blätter (Eintrag 4) zeigen eine hoche Abhängigkeit des Inhaltstoffprofils von dem jeweiligen Kultivar. Auffällig ist ebenfalls der zum Teil hohe Sabinenanteil, welches im ätherischen Öl der Schale kaum zu finden ist. In ihrer Studie teilen die Forscherinnen um Lota die Mandarinenöle in diverse Untercluster ein.
1 9) | 2 10) | 3 11) | 4 12) | |
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Limonen | 46.7 % | 83.8-96.2% | 52.2-81.3% | 1.5-44.3% |
γ-Terpinen | – | >6.0% | 12.1-36.7% | 0.2-61.3% |
Geranial | 19% | – | – | < 0.4% |
Neral | 14.5% | – | – | < 0.4% |
Geranylacetat | 3.9% | < 0.2% | – | < 0.4% |
Geraniol | 3.5% | < 0.1% | – | < 0.7% |
β-Caryophyllen | 2.6% | – | – | – |
Nerol | 2.3% | – | – | <0.9% |
Myrcen | 0.3% | 1.3-1.8% | 1.3-1.8% | <4.4% |
Citronellal | 1.3% | <0.2% | <0.1% | <0.7% |
Nerylacetat | 1.1% | – | – | – |
Sabinen | – | < 1% | < 1% | 0.2-59.4% |
N-Methylanthranilsäuremethylester | – | – | < 1.1% | < 58% |
Die historischen Befunde zur Zusammensetzung sind daher weitgehend korrekt. N-Methylanthranilsäuremethylester findet sich vor allem in den Blättern und Zweigen des Mandarinenbaums. Bis auf wenigen Ausnahmen ist es jedoch auch diesem ätherischen Öl nur gering vertreten (<1%).
Physikalische Eigenschaften
In folgender Tabelle sind physikalische Eigenschaften einiger ätherischer Öle angegeben. Das Standardöl sind Eigenschaften von Ölen aus Italien.
Standardöl | Carcagente | Sevilla | Spanien13) | Spanien14) | Valencia 15) | Philippinen Naranjita16) | |
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d15° | 0.854 bis 0.859 | 0.85417) | 0.854118) | 0.8544 | 0.8562 | 0.8665 | – |
αD | +65 bis +75°19)20) | +73.4° | +73.0° | +83.22° | +72.14° | – | +90.85°21) |
αD22) | niedriger oder bis 2° höher 23) | +80.30°24) | +74.50°25) | +86.43° | +75.10° | +55.12° | – |
nD20° | 1.475 bis 1.478 | 1.4775 | 1.4753 | – | – | 1.47900 | 1.470026) |
S.Z. | bis 2.7 | 4.15 | 2.4 | 0.6 | 2.7 | 2 | – |
E.Z. | 5 bis 11 27) | 9.97 | 9.84 | 11.2 | 7.5 | 17.3 | 8.0 |
E.Z. nach Actlg. | 12.5 | 17.34 | 20.3 | – | – | – | – |
Abdampfrückstand | 2.4 bis 3.5% | 7.95% | 3.88% | – | – | 8% | 2.25 bis 2.4% |
Löslichkeit in 90%igem Alkohol | 7 bis 10 Vol. | 14 Vol. | 12 Vol. | – | 8 Vol. | nicht löslich | – |
Löslichkeit in 95%igem Alkohol | 1.5 Vol | 2 Vol. | 2 Vol. | – | – | 0.5 Vol. | – |
Destillierte Mandarinenöle
Die Eigenschaften eines durch Destillation gewonnenen spanischen Mandarinenöls waren: d15° 0.8497, αD +79.40°, αD der ersten 10% des Destillats +79°, löslich in etwa 6 Vol. 90% igen Alkohols mit geringer Trübung, die bei weiterem Zusatz von Lösungsmittel verschwand; die Lösung zeigte blaue Fluoreszenz.28)
Die Konstanten mehrerer destillierter japanischer Öle wurden von Schimmel & Co.29), wie folgt, bestimmt:
d15° | αD | αD der ersten 10% des Destillats | S.Z. | E.Z. | Löslichkeit in 90%igem Alkohol | |
---|---|---|---|---|---|---|
I | 0.8489 | +92.35° | +91.32° | 0.3 | 3.7 | 5.5 Vol. u. m. |
II | 0.8528 | +73.36° | +66.10° | 0.3 | 3.6 | 5.5 Vol. u. m. |
III | 0.8541 | +68.5° | 60.48° | 0.3 | 4.6 | 5 Vol. u. m. |
Drei unter dem Namen 'Mikanöl' eingesandte Muster waren offenbar Mandarinenöle, denn die Mandarine führt in Japan den Namen Mikan30). Sie zeigten ähnliche Konstanten wie die obigen Destillate:
d15° | αD | Löslichkeit in 90%igem Alkohol |
---|---|---|
0.8483 | +92.20° | 6 Vol. u. m. |
0.8478 | +90.56° | 6.2 Vol. u. m. |
0.849 | +90.35° | 10 Vol. u. m. |
Zwei in Porto Alegre (Brasilien) destillierte Mandarinenöle31) hatten folgende Eigenschaften: d15° 0.8515 und 0.8510, αD +74.16° bei 17°C und +74.20° bei 16°C. Beide Öle waren durch eine schön blaue Fluoreszenz ausgezeichnet.
Die Konstanten von konzentrierten Mandarinenölen sind von G. Romeo bekanntgegeben.
Terpenfreies Mandarinenöl: d15°C 0.930 bis 0.960, αD20° +10° bis +21°, löslich in 2 bis 3 Vol. 80% igen Alkohols.
Sesquiterpenfreies Mandarinenöl: d15° 0.9548, αD20° +7.6°, löslich in 3.6 Vol. 70%igen Alkohols, Aldehydgehalt (als Citral berechnet, nach Romeo bestimmt) 22.84%, Estergehalt (als Linalylacetat berechnet) 30.34%, darunter Methylanthranilsäuremethylester 21.75%.
Literatur
Dieser Text basiert auf Eduard Gildemeisters (1860-1938) und Friedrich Hoffmanns Buch „Die ätherischen Öle“ 3. Auflage, 1928, Verlag der Schimmel & Co. Aktiengesellschaft. Das Buch ist in 3 Bänden erschienen.
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